Brandschutz und Denkmalschutz – vereinbar?

Gedenkstätte Bautzen

Effektiver Brandschutz in denkmalgeschützten Gebäuden gleicht häufig der Quadratur des Kreises. Mit flexiblen anlagentechnischen Maßnahmen lassen sich auch Anforderungen auf wirtschaftliche Weise erfüllen, die sonst nicht umsetzbar wären. 

Der Name der sächsischen Kleinstadt Bautzen steht wie kaum ein anderer für Unrecht und politische Verfolgung im Nationalsozialismus, in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) und in der DDR. In den 1904 bzw. 1906 erbauten Gefängnissen Bautzen I („Gelbes Elend“) und Bautzen II („Stasi-Knast“) wurden von 1933 bis 1989 politische Häftlinge unter unmenschlichen Haftbedingungen gefangen gehalten und verhört.

Nach dem Mauerfall wurden im Dezember 1989 alle politischen Häftlinge entlassen. Bautzen I dient seitdem als Justizvollzugsanstalt (JVA Bautzen) unter anderem für den Vollzug von Freiheitstrafen und zur Sicherungsverwahrung. Die JVA wurde zuletzt im Jahr 2015 umfassend saniert. Bautzen II wurde als Gefängnis im Januar 1992 endgültig geschlossen. Auf Initiative des Sächsischen Landtags wurde die Anstalt in eine „Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen, kommunistischen und sozialistischen Diktatur und politischer Justiz“ umgewandelt. Nach ihrer Gründung im Februar 1994 übernahm die Stiftung Sächsische Gedenkstätten den weiteren konzeptionellen und inhaltlichen Aufbau. Für den Unterhalt des Gebäudes ist das Sächsische Immobilien- und Baumanagement (SIB) zuständig, das jetzt mit zahlreichen Umbaumaßnahmen einschließlich einer brandschutztechnischen Ertüchtigung entscheidend zum Erhalt der Gedenkstätte beigetragen hat. Der Stiftung Sächsische Gedenkstätten als Nutzer wurde dabei Gelegenheit gegeben, die Umbaumaßnahmen aktiv zu begleiten.

Denkmalschutz und Brandschutz

Die Gedenkstätte Bautzen hat den umfassenden und schwierigen Auftrag, die Geschichte von zwei sehr unterschiedlichen Haftanstalten in drei Verfolgungsperioden – der nationalsozialistischen Diktatur, der Zeit der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED-Diktatur – an einem historischen Ort aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Bei der Umsetzung dieser Aufgabe spielt der Denkmalschutz eine besondere Rolle. Denn nur wenn die Gebäude und Einrichtungen möglichst originalgetreu erhalten bleiben, kann die düstere und beklemmende Atmosphäre wirkungsvoll nachfolgenden Generationen vermittelt werden. Gleichzeitig müssen auch in der Gedenkstätte Bautzen effektive Brandschutzmaßnahmen nach den geltenden gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden. 
Vieles lässt sich mit etwas Kreativität – wenn auch mit höherem Kostenaufwand – einfach umsetzen. So wurden die vorhandenen Steigschächte für die Verkabelung im Originalzustand belassen (Abbildung 1). Die notwendigen Kabel für die sicherheitstechnischen Anlagen in E30-Ausführung wurden dahinter verlegt und brandschutztechnisch von den Fluren abgetrennt. Um die Verkabelung im Kellerboden zu realisieren, wurden die vorhandenen Metallfliesen (20 x 20 cm) aufgenommen (Abbildung 2) und nach der Verlegung der Kabel wieder aufgebracht. Die sichtbaren Teile der Elektroinstallation wurden in der Verdrahtungstechnik zu DDR-Zeiten ausgeführt. Dazu gehören unter anderem schwarze Leitungen und Rohre sowie eine „Spanndrahtinstallation in Bündelverdrahtung“. Die Leitungen werden dabei mit Klebeband an den Halteseilen befestigt.
 

Flexible Bauordnungen

Andere Brandschutzmaßnahmen lassen sich hingegen mit dem Denkmalschutz nur mit erhöhtem Aufwand oder gar nicht vereinen. So war für den Umbau der Gedenkstätte ursprünglich eine Sprachalarmierungsanlage gefordert. Dafür hätten im ehemaligen Zellentrakt zahlreiche Lautsprecher installiert werden müssen (Abbildung 3), was aus Denkmalschutzsicht allerdings nicht hinnehmbar war. Was also tun? Glücklicherweise lassen die Landesbauordnungen (LBO) mehr Spielraum zu als allgemein angenommen. 
Die LBO beschreiben auch im Brandschutz lediglich die Mindestanforderungen an Standardgebäude. Da insbesondere Sonderbauten jedoch höchst individuelle Ausprägungen besitzen, lassen die LBO explizit Abweichungen zu. Neben den Erleichterungen nach § 51 Musterbauordnung  (MBO) [1] sind das vor allem Abweichungen nach § 67 MBO (von materiellen Baurechtsvorschriften) sowie nach § 3 MBO (von den Technischen Baubestimmungen). Voraussetzung für die Genehmigung von Abweichungen ist eine detaillierte und schutzzielorientierte Begründung. Vor allem anlagentechnische Kompensationsmaßnahmen sind flexibel einsetzbar und selbst bei zukünftigen Nutzungsänderungen leicht anpassbar. Alle geplanten Maßnahmen sollten bereits im Vorfeld mit den Sachverständigen und den Baubehörden abgesprochen werden.

Umbau der Gedenkstätte

Die Gedenkstätte gilt nach der Sächsischen Bauordnung [2] als Sonderbau. Sie fällt nicht unter den Anwendungsbereich der Sächsischen Versammlungsstättenverordnung [3], da durch organisatorische Maßnahmen die maximale Anzahl der Besucher auf 150 und die Anzahl der Sitzplätze im Saal auf 90 begrenzt wurden. Oberstes Schutzziel ist auch in der Gedenkstätte der Personenschutz. Dabei galt es vor allem sicherzustellen, dass die überwiegend ortsunkundigen Besucher im Brandfall unabhängig vom Brandentstehungsort schnell und sicher aus dem Gebäude geleitet werden.
Als brandschutztechnisch kritisch einzustufen ist der ehemalige Zellenhaupttrakt in Bautzen II (Abbildung 3). Er erstreckt sich offen über mehrere Geschosse, in denen jeweils umlaufende Gänge mit Zugang zu den ehemaligen Zellen angeordnet sind. An den Längsseiten des Traktes befinden sich zwei Treppenhäuser, die aus Denkmalschutzgründen jedoch nicht als notwendiger Treppenraum ertüchtigt werden können. Deshalb wurde im Brandschutznachweis eine außenliegende Treppe an der hinteren Fassade gefordert, die mit einem zusätzlichen Aufzug realisiert wurde (Abbildung 4). Darüber hinaus wurden eine Brandmeldeanlage (BMA) und eine Sprachalarmanlage (SAA) zur akustischen Fluchtweglenkung gefordert. Bei einer Verrauchung der vorhandenen, nicht feuersicheren Treppenhäuser hätte die Entfluchtung so über die Außentreppe erfolgen können.

Dynamische Fluchtweglenkung als ­Kompensation

Eine normgerecht mit hoher Sprachverständlichkeit nach DIN 0833-4 [4] ausgeführte SAA hätte allerdings den Einbau zahlreicher Lautsprecher in die Decken des Zellenhaupttraktes erfordert, was aus Denkmalschutzgründen nicht möglich war. Man entschied sich deshalb stattdessen für eine optische dynamische Fluchtweglenkung und „schlug gleich zwei Fliegen mit einer Klappe“: Die sowieso notwendigen Rettungszeichenleuchten können ohne zusätzliche optische Beeinträchtigung durch dynamische ersetzt werden (Abbildung 5). Im Brandfall erhält die Steuerung der dynamischen Fluchtweglenkung Informationen von der BMA, „sperrt“ bei einer Verrauchung optisch die vorhandenen Treppenhäuser (Abbildung 6) und leitet die Flüchtenden über die Außentreppe. Damit wird dasselbe Schutzziel erreicht wie mit einer SAA.
Zur Brandfrüherkennung im Zellenhaupttrakt sind auf jeder Seite geschossweise linienförmige Rauchmelder nach EN 54-12 [5] angebracht. Insgesamt wurde darauf geachtet, die Brandlasten insbesondere in den Fluren möglichst gering zu halten. Die Zellentüren wurden im Originalzustand erhalten. In zu Technikräumen umfunktionierten Zellen wurde dahinter eine Brandschutztür installiert.

Wirtschaftliche Beleuchtungslösung

Für die Beleuchtung wurde auch unter denkmalschützerischen Aspekten eine wirtschaftliche Lösung gefunden. In den Lammellenleuchten der Allgemeinbeleuchtung wurden unter Beibehalt der historischen Optik die konventionellen Vorschaltgeräte (KVG) durch elektronische (EVG) ersetzt. Der alte Starter blieb dabei stromlos vorhanden.
Für die Sicherheitsbeleuchtung sollten eigentlich die vorhandenen runden Leuchten über den Zellen verwendet werden, was aber an einer zu niedrigen Lichtausbeute scheiterte. Aus diesem Grund wurde die notwendige Anzahl von Lamellenleuchten der Allgemeinbeleuchtung unter Beibehaltung der Optik mit einem überwachten LED-Modul ausgestattet und arbeitet jetzt als Sicherheitsbeleuchtung.
Die Steuerung von Sicherheitsbeleuchtung und optischer dynamischer Fluchtweglenkung befindet sich in einem Kellerraum (F90). Dort ist auch die Notstromversorgung als Zentralbatteriesystem untergebracht (Abbildung 7 und 8). Die Be- und Entlüftung erfolgt mechanisch direkt ins Freie. 

Fazit

In der Gedenkstätte Bautzen wurden Denkmalschutz und Brandschutz auf wirtschaftliche Weise miteinander verbunden. Durch den Einsatz einer optischen dynamischen Fluchtweglenkung konnte auf den Bau einer zweiten Außentreppe verzichtet werden. Dabei wird dasselbe Schutzziel wie mit einer akustischen Fluchtweglenkung über eine Sprachalarmierungsanlage erfüllt. Die Landesbauordnungen lassen durch Erleichterungen und Abweichungen genügend Spielraum für kreative Lösungen.